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ESAF Mollis: Warum im Schwingen die Linken die gefährlichsten sind

Damian Ott, rechts, gewinnt gegen Janos Bachmann im zweiten Gang beim traditionellen Schwaegalp Schwinget, am Sonntag, 17. August 2025, auf der Schwaegalp in Urnaesch. Das Schwingfest feiert dieses Ja ...
Damian Ott wirft gleich Turnerschwinger Janos Bachmann auf den Rücken.Bild: keystone
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Darum sind im Schwingen die linken Schwünge die gefährlichsten

Kein anderer Zweikampfsport kennt so viele Angriffsvarianten wie das Schwingen. Das Lehrbuch enthält mehr als 100 Schwünge. Am gefährlichsten sind die linken.
23.08.2025, 08:5223.08.2025, 13:28
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Beim Schwingen gibt es eine riesige Anzahl von Schwüngen und Gegenschwüngen, um den Gegner auf den Rücken zu legen. Das Schwinger-Lehrbuch kennt mehr als 100 Schwünge. Dazu kommt, dass jeder Böse Varianten entwickelt. Das heisst, er passt einen Schwung seiner Kampfweise und Postur an. So gesehen gibt es über 150 verschiedene Angriffsmöglichkeiten.

Der Grund für diese Vielfalt: Anders als im Boxen, Ringen oder Judo kennt Schwingen keine Gewichtsklassen.

Marcel Raebsamen, links, besiegt Lario Kramer im sechsten Gang beim traditionellen Schwaegalp Schwinget, am Sonntag, 17. August 2025, auf der Schwaegalp in Urnaesch. Das Schwingfest feiert dieses Jahr ...
Gewichtsklassen gibt es nicht, jeder Kämpfer ist gleichgestellt.Bild: keystone

Es gibt Schwünge für die grossen, kräftigen Titanen, die auf Kraft und Wucht basieren, und Varianten für die kleineren, flinken Herausforderer, die mit der Hebelwirkung des Körpers und der Ausnützung der Kraft des Gegners fehlende Postur und Kraft wettmachen. Ein Sieg über einen 20 Zentimeter grösseren und 40 Kilo schwereren Gegner ist keine Sensation.

Oft kommt es zum Feuerwerk: zur Kombination mehrerer Angriffsschwünge hintereinander und zum Konter. Dabei wird der Angreifer unverhofft zum Angegriffenen und alles wird so blitzschnell durchgeführt, dass selbst Kenner nicht mehr genau sagen können, mit welchem Schwung die Entscheidung herbeigeführt worden ist.

Grundsätzlich gilt: Ein Angriffsschwung muss blitzschnell, hochkonzentriert und mit maximaler, explosiver Kraftentfaltung geführt werden, sonst steigt die Gefahr eines Konters.

Im Training ist nahezu jeder Schwinger dazu in der Lage, die gut 120 Schwinge vorzuzeigen. Im Wettkampf konzentrieren sie sich auf höchstens zehn verschiedene Schwünge. Weil im Kampf keine Zeit zum Nachdenken bleibt und Schwünge und Gegenschwünge blitzschnell – sozusagen automatisch – erfolgen müssen. Zur Faszination der Schwinger-Technik gehört, dass die Titanen sehr oft eigene Varianten der einzelnen Schwünge entwickeln.

Die wichtigsten Schwünge

Der Kurz – der «Panzerangriff»

Die geradlinigste, wuchtigste Angriffsvariante, die vor allem von den kräftigsten Bösen eingesetzt und den Jungschwingern als erster Schwung beigebracht wird.

Der Kurz führt meistens zum platten Resultat mit Maximalnote. Er wird aus dem Stand heraus mit festen Griffen ausgeführt. Der Angreifer reisst seinen Gegner an sich und wirft ihn dann mit leicht gedrehtem Körper zum Resultat. Die Kraftentfaltung ist explosiv und wird oft mit einem «Urschrei» begleitet.

Allerdings muss der Angreifer aufpassen, dass er beim Kurz nicht in einen Konter läuft. Wird ein Kurzzug nicht explosiv genug geführt – wenn beispielsweise ein Schwinger zum zweiten oder dritten Mal in einem Gang diese Angriffsvariante wählt –, pariert der Gegner und kontert, so wie Adrian Käser 1989 in Stans im Schlussgang gegen Eugen Hasler.

In der Regel setzen die Bösen den Kurz rechts an. Das macht die wenigen Bösen, die links ziehen so gefährlich. Zu diesen gefährlichen Linken gehört etwa der Berner Michael Moser.

Der Gammen – kein Entkommen aus dem Schraubstock

Der Gammen ist, wie der Kurz, ein Standschwung, der von grossen, kräftigen Schwingern bevorzugt wird und gegen den es kaum ein Gegenmittel gibt. Der Angreifer reisst den Gegner fest an sich, Front an Front, so dass er nicht mehr nach hinten ausweichen kann (in den Schraubstock nehmen). Dafür braucht es titanische Kräfte.

Nun wird das rechte Bein hakenförmig um die äussere Seite des linken Unterschenkels des Gegners geschlagen. Durch Druck der rechten Schulter auf die linke des Gegners wird dieser rückwärts auf den Rücken geworfen.

Rudolf Hunsperger schaffte im Schlussgang des Eidgenössischen 1966 in Frauenfeld gegen Karl Meli die Sensation mit einem Gammen, den er mit einem Kopfgriff kombinierte. Der krasse Aussenseiter Adrian Käser erwischte 1989 im Schlussgang in Stans den himmelhohen Favoriten Geni Hasler mit einem Gammen und wurde mit 18 Jahren der bis heute jüngste König. Der Nachteil des Gammen: Die Knie werden sehr stark belastet. Gammen-Spezialisten leiden oft an Knieverletzungen.

Der Münger-Murks

Der Seeländer Hans Münger (1957 Kilchberg-Sieger) hat diese Variante entwickelt. Dabei wird der Kopf des ins Sägemehl gesprengten Gegners mit den Knien fixiert und dieser wird mit beträchtlicher Kraft über den eigenen Kopf auf den Rücken gedreht.

Es ist keine elegante, sondern eine rohe Technik, die viel Kraft erfordert. Silvio Rüfenacht, der König von 1992, war ein gefürchteter Spezialist dieser Variante. Aktuell beherrscht Damian Ott den Münger-Murks am besten.

Der Lätz – auf dem falschen Fuss erwischt

Der perfekte Angriffsschwung, aber sehr anspruchsvoll. Der Angreifer täuscht einen Kurzzug an, dreht blitzschnell seinen Oberkörper und wirft ihn in die entgegengesetzte Richtung. Der Gegner, der einen Kurzzug erwartet, wird damit im volkstümlichen Sinne auf dem falschen Fuss erwischt.

Der Brienzer – aufgepasst auf Konter

Wird so genannt, weil angeblich Ende des 19. Jahrhunderts ein Schwinger aus Brienz diesen Schwung erstmals gezeigt hat. Der Angreifer packt mit der rechten Hand den Gurt hinter dem Rücken des Gegners, macht eine Drehung nach rechts und greift mit dem linken Arm über die Schulter oder den Nacken ebenfalls nach dem Gurt im Rücken. Gleichzeitig blockiert er mit dem linken Bein das rechte Bein des Gegners und wirft ihn auf den Rücken.

Eine technisch anspruchsvolle Angriffsart, die in verschiedensten Varianten vorgetragen wird. Der Brienzer war der bevorzugte Spezial von Ernst Schläpfer (König 1980 und 1983). 1986 in Sion konterte Harry Knüsel im Schlussgang eine Brienzer-Attacke und wurde König.

Der Hüfter – die Geheimwaffe der Underdogs

Durch die Hebelwirkung des Körpers wird der Hüfter ausgeführt. Er ist deshalb ein bevorzugter Schwung von kleineren Schwingern gegen grössere und kräftigere. Aber auch technisch starke, flinke Titanen beherrschen ihn.

Der Angreifer packt mit der rechten Hand den linken Oberarm des Gegners, springt mit der linken Hüfte blitzschnell unter den Gegner und hebt ihn mit der Hüfte vom Boden ab. Durch Vorbeugen des eigenen Körpers wird der Gegner kopfüber ins Sägemehl geworfen.

Der Übersprung – die Allzweckwaffe

Das ist der einfachste Wurf, sozusagen die Allzweckwaffe für alle Situationen, auch geeignet zum Kontern: Der Angreifer springt mit dem rechten oder dem linken Bein möglichst tief hinter das Bein des Gegners und wirft diesen unter Mithilfe des Oberkörpers direkt auf den Rücken.

Der Buur – die Notlösung

Was tun, wenn es einfach nicht gelingt, den Gegner aus dem Stand heraus zu werfen, und es zum kräfteraubenden Gerangel am Boden kommt? Da hilft nur noch der Buur.

Der Gegner wird mit dem Oberkörper blockiert. Mit der einen Hand wird das Knie erfasst, mit der anderen der Gurt und der Gegner wird überdrückt. So kann auch ein Gegner zu Boden «gesprengt» und dann auf den Rücken gedreht werden, der extrem defensiv schwingt und «aus den Griffen» geht. Der Berner Titan Fabian Staudenmann ist aktuell der beste Buur-Spezialist.

Nachteil: Es gibt nur selten die Maximalnote. Der Buur ist also sozusagen eine schwingerische Notlösung und es gibt ihn in unzähligen Varianten.

Der Schlungg – der riskanteste Angriff

Der Gegner wird mit einem kräftigen Ruck und der eigenen Fallgeschwindigkeit (gegen hinten, der Angreifer lässt sich sozusagen fallen) im letzten Moment des Fluges auf den Rücken gedreht.

Das Risiko ist allerdings gross, ja es ist wahrscheinlich der riskanteste Angriff: Realisiert der Gegner rechtzeitig, dass er geschlunggt werden soll, führt ein Griff in die Beine des Angreifers dazu, dass die Drehbewegung gestoppt wird und der Angreifer selber auf den Rücken fällt.

Der Wyberhaken – Angriff mit Siegesgarantie

Warum dieser anspruchsvolle Schwung so bezeichnet wird, ist umstritten und soll hier nicht weiter erörtert werden. Der Angreifer attackiert den Gegner wie beim Gammen, klemmt dann das gegnerische Bein mit den eigenen Beinen ein, schränkt so die Bewegungsfreiheit des Gegners ein und verhindert ein rettendes Ausdrehen.

Beim Wyberhaken gibt es in der Regel kein Entkommen mehr, der Sieg mit Maximalnote ist praktisch garantiert.

Könige und ihre Schwünge

Mit diesen Griffen erzwangen die Könige im eidgenössischen Schlussgang die Entscheidung.

1961 Zug:
Karl Meli besiegt Karl Oberholzer mit Kurz.

1964 Aarau:
Karl Meli siegt gegen Alois Boos mit Kurz.

1966 Frauenfeld:
Ruedi Hunsperger bodigt Karl Meli mit Gammen.

1972 in La Chaux-de-Fonds:
David Roschi sprengt Karl Bahmann mit Halblang ins Sägemehl und überdrückt den Gegner.

1974 Schwyz:
Ruedi Hunsperger erwischt Fritz Uhlmann mit Lätz.

1977 Basel:
Arnold Ehrensberger gewinnt gegen Peter Steiger mit Lätz.

1980 St.Gallen:
Ernst Schläpfer erwischt Kurt Schneiter mit Kurz.

1983 Langenthal:
Ernst Schläpfer bodigt Niklaus Gasser mit Kurz.

1986 Sion:
Harry Knüsel kontert Ernst Schläpfers Brienzer-Attacke mit Kreuzgriff.

1989 Stans:
Adrian Käser erwischt Geni Hasler mit Lätz.

1992 Olten:
Silvio Rüfenacht gewinnt gegen Jörg Schneider mit Kurz.

1995 Chur:
Thomas Sutter sprengt Eugen Hasler mit Überwurf ins Sägemehl und überdrückt zum Resultat.

1998 Bern:
Jörg Abderhalden gewinnt gegen Werner Vitali mit Kurz.

2007 Aarau:
Jörg Abderhalden gewinnt mit Überwurf gegen Stefan Fausch.

2010 Frauenfeld:
Kilian Wenger bezwingt Martin Grab mit Hüfter.

2013 Burgdorf:
Matthias Sempach bodigt Christian Stucki mit Fussstich und anschliessendem Überdrücken.

2016 Estavayer:
Matthias Glarner bodigt Armon Orlik mit Kreuzgriff.

2019 Zug:
Christian Stucki gewinnt gegen Joel Wicki mit einer Kurz/Gammen-Kombination.

2022 Pratteln:
Joel Wicki bezwingt Matthias Aeschbacher mit Lätz.

2001 und 2004 gab es im Schlussgang keine Entscheidung.

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Alle Schwingerkönige der ESAF-Geschichte
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Alle Schwingerkönige der ESAF-Geschichte

2022 in Pratteln: Joel Wicki.

quelle: keystone / peter schneider
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